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Hanenkreuz am Ahrmühlenweg

Wegkreuz_von_Hahne_Ahrm_hlenweg

Text aus „Et Dörfblädche“, 1995 von Klaus Ring

 

Seit gut zwei Jahren präsentiert es sich den Vorübergehenden wieder in ansehbarem Zustand: das Wegekreuz gegenüber der Einmündung der Kreuzgasse in den Ahrmühlenweg, das besondere Merkmal unseres Hauses - und seines Hausnamens Hanen Was sind schon zwei Jahre im Verhältnis zur 370jahrigen Geschichte dieses Kreuzes?

Als wir uns im Frühjahr 1981 zum Kauf des Hauses am Ahrmühlenweg entschieden, hat die Aussicht, ein so bemerkenswertes Baudenkmal wie das Wegekreuz mit übernehmen zu können, eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. Wir freuten uns darauf, 'Besitzer' eines Denkmals zu werden, das für die Geschichte des Dorfes wichtig ist. Bereits im Juni 1982 beantragten wir bei der Gemeinde Blankenheim die Aufnahme des Kreuzes in die Denkmälerliste, die bereits am 3. September 1982 verfügt wurde. Anfang 1985 war die Eintragung dann endgültig rechtskräftig geworden: "Das gut erhaltene Wegekreuz des 17. Jh. ist von Bedeutung für die Geschichte des Menschen. Seine Erhaltung liegt aus künstlerischen und volkskundlichen Gründen im öffentlichen Interesse.“
 

Nun lag das 'Sorgerecht' also sozusagen nicht mehr allein, wie bei den Vorbesitzern, im eigenen, sondern eben im öffentlichen Interesse. Zunächst taten wir nichts anderes, als den Zustand der Farbschichten zu beobachten und die Winter für Winter abblätternden Partien zu entfernen. Seit den 1950er Jahren hatte man in bester Absicht, um den Sandstein zu schützen, mehrfach dickschichtige Dispersionsfarben aufgetragen, die dem Stein leider keine Möglichkeit zum Atmen ließen. Daher sprengte vor allem der Frost immer wieder Farbteile ab.

Im Sommer 1992 wandte ich mich an die Restaurierungswerkstatt des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege in Brauweiler wegen einer Beratung. Der leitende Restaurator, Herr Bauer kam zu einem Ortstermin, fotografierte das Denkmal und legte sowohl und als auch dem zuständigen Denkmalpfleger, Dr. Wolfgang Zahn, seinen Zustandsbericht vor. Auch Dr. Zahn nahm das Wegekreuz bei einem Ortstermin in Augenschein und bestätigte die Vorschläge seines Werkstattleiters: Entfernung der Farbanstriche und Konservierung der Steinsubstanz durch einen Fachrestaurator.

Dank der Vermittlung von Herrn Bauer konnten wir Kontakt mit zwei jungen Steinrestauratoren in Köln aufnehmen, die sich bei der Konservierung von Kölner Baudenkmälern aus Ruhrsandstein hervorgetan hatten. Thomas Sieverding und Stefan Gloßner sahen sich im November 1992 unser Kreuz an und waren von der Qualität des Denkmals begeistert. Sie erhielten den Auftrag und führten die Konservierungsmaßnahmen im September und Oktober 1993 durch, denn das Wetter musste natürlich mitspielen. Fast täglich kamen neue und überraschende Befunde hervor, als die beiden mit feinen Messerchen und Spachteln Farbschicht um Farbschicht ablösen. Ein Denkmal enthüllte nach und nach sein wahres Inneres. Zu den nicht unerheblichen Kosten, die wir als Besitzer des Wegekreuzes gern aufgebracht haben, erhielten wir übrigens einen Zuschuss der Denkmalbehörde von rund 30%.
 

Die beiden jungen Restauratoren haben hervorragende Arbeit geleistet Sie haben nicht nur das Wegekreuz wieder in einen sicheren und ansehnlichen Zustand gebracht, sondern darüber hinaus eine höchst aufschlussreiche Dokumentation ihrer Arbeit vorgelegt. Diese Mappe, von Thomas Sieverding verfasst, hat vor allem den zuständigen Gebietsreferenten des Landeskonservators, Herrn Dr. Zahn, so überzeugt, dass er dem "Hanenkreuz" und seiner `'Wiedergeburt' einen Aufsatz in der Zeitschrift "Denkmalpflege im Rheinland" (Jg. 11, Nr. 3, 1994, S. 110 - 114) gewidmet hat der in der Hauptsache die Dokumentation des Restaurators veröffentlicht. Die Fotos darin sind für das Bildarchiv des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege vom Schulfotografen Jürgen Gregori angefertigt worden.

Was also ist das Besondere und Bemerkenswerte am "Hanenkreuz"?

Beginnen wir mit der Datierung Sämtliche Deuter - ich eingeschlossen -, die sich bislang an der Entschlüsselung der Inschrift versucht hatten, lasen die Jahreszahl als "1675". Dies ist auch der offizielle Eintrag in der Denkmälerliste. Erst die Freilegung des Sandsteins unter den Farbschichten offenbarte das wahre Datum: 1625 - ein halbes Jahrhundert früher!

Ein wahrhaft ehrwürdiges Alter für ein Wegekreuz - 370 Jahre! Wenn man eine Menschengeneration mit rund 30 Jahren annimmt hatte das Kreuz inzwischen 13 Generationen im Dorf kommen und gehen gesehen. 1625 Da hatte gerade der Dreißigjährige Krieg begonnen, der auch in der Eifel seine blutigen Spuren hinterließ. Viel schlimmer aber wütete gerade in jenen Jahren die Hexenverfolgung im Bereich der Herrschaft Jünkerath, zu der Waldorf gehörte. Mindestens fünf Waldorfer Frauen wurden ihre Opfer: Barbel Hecken, Anna Creutz, Eva Wasems, Anna Wolf und Johanna Gassen. Ob die Errichtung des Kreuzes etwas mit den furchtbaren Ereignissen jener Jahre im Dorf zu tun hat?

Eine zweite Besonderheit: Das Wegekreuz trägt die Handschrift eines begabten Künstlers. Der Bildhauer ist wahrscheinlich kein Bewohner des Dorfes gewesen, sondern hat eine gute handwerkliche und künstlerische Ausbildung gehabt, wie man sie in jener Zeit wohl nur in größeren Städten, in der Nähe bedeutender Kirchen und Residenzen, erhalten konnte. Er beherrschte nicht nur die feine Behandlung des Sandsteins, er verstand auch viel von Proportionen und ornamentaler Ausgestaltung weniger wichtiger Partien. Sein Wegekreuz ist nicht nur ein einfaches Symbol: es ist ein Kunstwerk, das über sich selbst hinausweist.

Wie kam der Auftraggeber, der sich selbst als "Hanen Reinard" bezeichnet, an diesen Mann? Hatte er Beziehungen zu einem der benachbarten Klöster wie Steinfeld, Prüm oder Niederehe? Stand er gar in Kontakt zum gräflichen Hofe der Manderscheider in Blankenheim? Immerhin zeugen die ab 1663 im benachbarten Alendorf errichteten Kreuzwegstationen auf den Kalvarienberg von einer ähnlichen künstlerischen Handschrift. Diese Frage ist bislang nicht zu klären, denn das älteste Taufbuch von Alendorf, in dem die Waldorfer Familien verzeichnet sind, beginnt erst 1651. Vielleicht bringt ein Zufallsfund in anderen Akten eines Tages Licht in diese Sache.

 

Jedenfalls ist das Wegekreuz der früheste schriftliche Beleg für den Hausnamen "Hanen", den unser Haus in der dörflichen Überlieferung seit Jahrhunderten trägt. Sicher ist das "Hanenkreuz" sogar wesentlich älter als die Grundmauern unseres Hauses, aber da es auch vor seiner Versetzung in unmittelbarer Nähe des Hauses stand, ist anzunehmen, dass der Aufsteller Reinard Hanen auch der 'Stammvater' des Hauses Hanen war. Die Deutung der weiteren Inschrift ist nicht eindeutig, auch hier sind noch weitere Nachforschungen nötig.

Was die bildlichen Darstellungen anbelangt, ist der obere Teil recht klar: Die Kreuzigungsgruppe besteht aus Jesus, Maria (links) und Johannes (rechts). Unter dem Kreuz, kleiner dargestellt (weil in der Bibel als "Sünderin" eingestuft), Maria Magdalena mit einem Salbgefäß in den Händen, so, wie es im Johannesevangelium (12,1-8) geschildert ist.


Symbolhafter und damit wesentlich schwieriger zu deuten ist dagegen der obere Teil des Sockels. Ich folge hier den Interpretation Gedanken des Restaurators Thomas Sieverding, der das leicht ovale, gewölbte Medaillon unterhalb der Kreuzigungsgruppe als Darstellung der Weltkugel sieht: die Welt, die durch Christi Tod erlöst wird. Das lässt sich auch in unserem heutigen Symbolverständnis noch nachvollziehen. Das längsovale Objekt auf der Weltkugel dürfte uns Heutigen allerdings in seiner Deutung als Teil einer religiösen Symbolik nur schwer eingehen, obwohl es das Natürlichste der Welt ist: Hier wird die Geburt des Erlösers durch die Andeutung der Scheide Mariens versinnbildlicht. Jesus wird als Mensch geboren, um die Schrift zu erfüllen, wie es bei Johannes (1,1 und 1,14) heißt. Daher sieht man im Mittelpunkt eine jüdische Schriftrolle, die Thora (ein Pergamentband, auf einem Holzstab aufgerollt). Der Hinweis auf die überragende Rolle Marias für die Erlösung der Welt wird durch den in die Inschrift hinabhängenden Rosenkranz unterstrichen.

Diese Art der Versinnbildlichung des biblischen Heilsgedankens ist ziemlich einmalig im weiten Umkreis, und auch dies hebt das "Hanenkreuz" weit über 'normale' Wegekreuze unserer Heimat hinaus. Aber es kommt noch eine weitere Besonderheit hinzu: Den Restauratoren ist es gelungen, größere Partien der Original-Bemalung freizulegen und auf dem Sandstein zu konservieren. Dies ist die eigentliche 'kleine Sensation' am Waldorfer Wegekreuz. Solche Farbbefunde sind an frei in der Landschaft stehenden Wegekreuzen des 17. Jahrhunderts äußerst selten feststellbar, und daher ist die Sicherung und Freilegung solcher Farbflächen, wie Dr. Zahn schrieb, "für die Erforschung der Denkmäler der Volksfrömmigkeit von unermesslichem Wert".

Insgesamt sind acht übereinanderliegende Farbschichten gesichert, die beiden letzten erst nach der Standortverlagerung des Kreuzes in den 1950er Jahren aufgebracht. Die früheste Farbe ist sicher in das frühe 18. Jahrhundert, wenn nicht sogar in die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts einzuordnen, also auch schon 300 Jahre alt. Da es unter dieser Farbschicht Verwitterungsspuren am Sandstein gibt, muss das Kreuz einige Jahrzehnte ohne Anstrich dagestanden haben. Als es dann angemalt wurde, hat man zwei für unser Auge ungewöhnliche Farben verwendet: helles Blau und Orange am Sockel. Die Kreuzigungsgruppe setzte sich davon nochmals ab: Das Kreuz und der Hintergrund der Figurengruppe war ein mittleres Blau, das Lendentuch Jesu hellblau, die Untergewänder der drei Figuren unter dem Kreuz orange, ihre Obergewänder dunkelblau, der Körper Jesu sowie die Hände und die Gesichter von Maria, Maria Magdalena und Johannes (Kopf nicht erhalten) im Inkarnatton (Hautfarbe), Jesu Haare waren dunkelbraun.
 

Eine Rekonstruktion der ersten Farbfassung, die dem Konservierungsbericht beiliegt, zeigt eine beeindruckende Gesamterscheinung des "Hanenkreuzes", die mit der heutigen steinsichtigen Fassung nur wenig gemeinsam hat.


Bleibt zum Schluss die Frage, warum die Denkmalpflege nicht auch eine 'reale' Rekonstruktion des ehemals prachtvollen Farbzustandes versucht hat. Dies lässt sich nur allgemein beantworten. Es gibt unter den Denkmalpflegern Europas recht unterschiedliche Meinungen, ob und bis zu welchem Grade man das ursprüngliche Aussehen von Baudenkmälern wiederherstellen (rekonstruieren) soll. Auch innerhalb der deutschen Länder sind die Auffassungen geteilt. Beispiele wie der Wiederaufbau des kriegszerstörten Römerbergs in Frankfurt am Main oder der Beschluss, die Dresdener Frauenkirche völlig zu rekonstruieren, spiegeln die Auffassung, dem Urbild wieder möglichst nahe kommen zu wollen. Andere Denkmalpflegeämter, und zu diesen gehört auch das rheinische, plädieren eher für eine Sicherung und Offenlegung der Urzustände, aber nicht deren Wiederherstellung, weil man damit gleichzeitig und zwangsläufig die Veränderungen des Denkmals durch die Jahrhunderte übertünchen müsste.

Daher kann man am "Hanenkreuz" nach seiner Konservierung jetzt ablesen, dass sich die Original-Farbreste am besten in den seitlichen Hohlkehlen des Pfeilers erhalten haben, während die dem Wetter stärker ausgesetzten Teile wieder den ursprünglichen Nideggener Sandstein zeigen. Und auch den fehlenden Kopf des Jüngers Johannes unter dem Kreuz hat man nicht ergänzt: Er fehlt und zeigt damit an, dass 370 Jahre nicht spurlos an diesem Denkmal vorübergegangen sind. Es spiegelt in hervorragender Weise Geschichte wider, die Geschichte unseres Dorfes. Hoffentlich werden auch unsere Nachkommen das "Hanenkreuz" in Ehren halten!